Die Gewerkschaft ver.di begrüßt, dass die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, sowie die für Pflege und Gesundheit sowie die für Bildung zuständigen Senatsverwaltungen mit einem gemeinsamen Rundschreiben das Streikrecht der Auszubildenden auch in der Pflege gestärkt haben. In dem Rundschreiben werden der Schutz der Patient/inn/en und das verfassungsrechtlich geschützte Streikrecht gegeneinander abgewogen und es wird deutlich, dass das Grundrecht auf Streik auch für Auszubildende gilt. Alle Beteiligten werden aufgerufen, die Verwirklichung dieses Grundrechtes zu ermöglichen. Für Grenzfälle wird auf die Möglichkeit eines Härtefallantrags verwiesen.
„Es ist gut, dass es zu diesem demokratischen Grundrecht einen gemeinsamen politischen Konsens in der Koalition gibt“ sagte Gisela Neunhöffer, bei ver.di in Berlin und Brandenburg zuständig für das Gesundheitswesen. Auch Auszubildende müssten die Möglichkeit haben, ihre Interessen deutlich zu machen. Das gelte generell, in Zeiten des Fachkräftemangels sei es aber umso wichtiger.
Für Auszubildende in der Pflege ist gesetzlich geregelt, dass sie nur eine begrenzte Anzahl von Tagen während ihrer Ausbildung z.B. krankheitsbedingt fehlen dürfen, um zur Abschlussprüfung zugelassen zu werden. Wenn sich Auszubildende an einem Streik beteiligen, könnte es sein, dass die zulässige Ausfallzeit überschritten wird und sie – weil Streiktage bislang auf die Ausfallzeiten angerechnet werden – nicht zur Prüfung dürfen. Die aktuelle Vereinbarung sieht vor, dass in diesem Fall Azubis eine Härtefallregelung in Anspruch nehmen dürfen, um die Zulassung zu erreichen. Da sich der Senat für das Streikrecht ausspricht, müsse er den Konsens auch konsequent umsetzen, so die Gewerkschafterin weiter. Dazu fordert ver.di, dass ein so grundlegendes Recht nicht über Härtefallregeln im Nachgang eingefordert werden muss, sondern dass deutlich gemacht wird, dass Streiktage von vornherein keine Fehltage im Sinne der Prüfungsordnung darstellen, wie es zum Beispiel in Baden-Württemberg geschehen sei.
„Die Fehlzeitenregelung regelt ja nur die Zulassung zur Prüfung. In dieser Prüfung weisen die Auszubildenden ihre Qualifikation nach. Es muss sich also niemand Sorgen machen, dass aufgrund von Streiks unzureichend ausgebildete Kräfte ihren Abschluss machen“, so Neunhöffer weiter.
„Wenn es um die Verbesserung der Ausbildungsqualität geht, haben wir viele Vorschläge. Denn sonst gefährdet nicht der Streik, sondern der Normalzustand eine qualitativ gute Ausbildung. Deshalb bin ich für mehr Zeit für Praxisanleitung auf die Straße gegangen und dafür, dass meine Praxiseinsätze auch auf der Station stattfinden, wo ich eingeteilt bin, und nicht dort, wo gerade die Hütte brennt.“ so Joshua, Auszubildender an eine großen Berliner Krankenhaus. „Ein Härtefallantrag bringt Unsicherheit und bürokratischen Aufwand mit sich. Wenn ich dann noch möglicherweise 60 EUR bezahlen muss, um einen Härtefallantrag zu stellen, empfinde ich das schon als Benachteiligung aufgrund des Streiks.“
2021 hatten Auszubildende bei Charité und Vivantes erfolgreich für Regelungen zur Verbesserung der Ausbildung im Rahmen der von ver.di abgeschlossenen Entlastungstarifverträge gestreikt, um u.a. mehr Zeit für Praxisanleitung und sichere Dienstpläne auf ihren zugeteilten Einsatzstationen zu bekommen.